Erhöhte Strahlenempfindlichkeit aufgrund von Erbkrankheiten/Genetische Erkrankungen/Mutationen
Hier sind genetische Erkrankungen gelistet, die mit einer erhöhten Strahlenempfindlichkeit in Zusammenhang gebracht werden. Für jede gelistete genetische Erkrankung haben wir Ergebnisse von Literaturrecherchen und unsere eigenen Erfahrungen beschrieben.
Huntington-Erkrankung
Neurofibromatose (NF1, NF2)
- Die Neurofibromatose (NF) zählt zu häufig vorkommenden autosomal-dominanten Erbkrankheiten und wird in zwei Subtypen unterteilt, die zwar beide zwei verschiedene Erkrankungen darstellen, neben dem Erbgang allerdings viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Beide Typen sind durch eine hohe de-novo-Mutationsrate gekennzeichnet.
- Die Neurofibromatose 1 (NF1), auch Morbus Recklinghausen, äußert sich insbesondere mit typischen Café-au-lait-Flecken, zahlreichen gutartigen Neurofibromen von Nerven.
- Die Neurofibromatose 2 (NF2) ist durch das Entwickeln uni- oder bilateraler Vestibularisschwannome gekennzeichnet, ferner kommt es gehäuft zu Meningiomen oder Gliomen des ZNS.
Neurofibromatosis 1 and neurofibromatosis 2: a twenty first century perspective Neurofibromatosis
Eigene Untersuchungen auf Strahlenempfindlichkeit:
- Neun Patienten mit Neurofibromatose Typ 1 sind bereits untersucht worden. Die Patienten mit NF1 hatten bei der Untersuchung eine grenzwertige bis hohe Strahlenempfindlichkeit, während ein Patient mit NF unbekannten Typs eine Strahlenempfindlichkeit im normalen Bereich aufwies.
Literatur zu Strahlenempfindlichkeitsmessungen:
- In Fibroblastenstämmen der Haut von NF 1- und 2-Patienten wurden bei sieben von neun Patienten eine gegenüber gesunden Probanden deutlich erhöhte Strahlenempfindlichkeit in Patienten bei chronischer Exposition mit ionisierender Strahlung festgestellt. Dies seien Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen einer erhöhten Empfindlichkeit auf zellulärer Ebene bei chronischer Bestrahlung und der NF, unabhängig vom Typen der NF. Cellular radiosensitivity of patients with different types of neurofibromatosis
- Untersuchungen von NF1-Fibroblasten zeigten eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Strahlen. Die DNS-Reparaturmechanismen seien bei NF1-Fibroblasten stark eingeschränkt, nach einer zehnminütigen Bestrahlung seien auffällig wenige Doppelstrangbrüche in diesen Zellen erkannt worden. Die ATM-abhängigen Signal- und Reparaturwege seien bei NF1-Patienten eingeschränkt. Individual Response to Radiation of Individuals with Neurofibromatosis Type I: Role of the ATM Protein and Influence of Statins and Bisphosphonates
- Es wurde herausgefunden, dass die Möglichkeit besteht, dass Fibroblastenkulturen von Patienten mit Neurofibromatose eine früh stattfindende Senseszenz zeigt, welche manchmal mit einer Unfähigkeit, mit Substanzen, die DNS-Schädigend wirken (Ionisierende Strahlung und Actinomycin D wurden untersucht), umzugehen. Sensitivity of Cultured Skin Fibroblasts from Patients with Neurofibromatosis to DNA-Damaging Agents
- Die Züchtung von in-vitro Kolonien von Fibroblasten aus NF-Fibromen unterschied sich nicht signifikant von der Anzucht von gesunden Hautfibroblasten gesunder Probanden, insbesondere bestand bei mit verschiedenen Dosen bestrahlten Fibroblasten kein signifikanter Unterschied in der Dosis-abhängigen Reduktion der Fähigkeit zur Koloniebildung. Cell-culture studies on neurofibromatosis (von Recklinghausen's disease)
- In stimulierten Blutlymphozyten wurden bei NF-Lymphozyten eine gegenüber non-NF-Lymphozyten eine signifikant erhöhte Inzidenz von Brüchen, Dizentrischen Chromosomen und Translokationen festgestellt. Evidence of chromosomal instability in neurofibromatosis
- Das stochastische Risiko sekundärer Karzinome in Folge einer Chemo- oder Strahlentherapie zu erleiden ist bei NF-1 deutlich erhöht. Bei Kindern mit NF-1 wurde ein dreifach erhöhtes Risiko im Vergleich zu Kindern mit NF-1 mit ausschließlich chirurgischer Therapie beschrieben. (Second primary tumors in neurofibromatosis 1 patients…; Subsequent Neoplasms After a Primary Tumor in Individuals With Neurofibromatosis Type 1). Bei Erwachsenen mit bösartigen peripheren Nervenscheidentumoren die entweder strahleninduziert in nicht-NF-1 oder als strahlenassoziiert in NF-1 Patienten klassifiziert wurden, war die Latzenzzeit bis zum Auftreten der Sekundärkarzinome bei den NF-1 Patienten mit 11.8 Monaten etwas kürzer als 13.3 Monate bei den nicht NF-1 Patienten.
Literatur zu klinischen Fallberichten/Strahlenfolgen:
- Klinisch zeigt sich bei cerebral bestrahlten, jungen NF1- und NF2-Patienten eine gegenüber Nicht-NF-Patienten erhöhte Rate an cerebraler Erkrankungen der Arterien im Bereich der Bestrahlung. Risks of Radiation Therapy in Patients With Neurofibromatosis
Schlussfolgerung bzgl. Testung auf Strahlenempfindlichkeit:
Bei der NF steht das hohe Sekundärmalignomrisiko im Vordergrund. Die Patienten haben meist eine grenzwertige, aber manchmal auch deutlich erhöhte Strahlenempfindlichkeit in Bezug auf deterministische Risiken. Eine Strahlentherapie ist in Bezug auf unerwünschte Therapiefolgen nach Anpassung der Fraktionsdosis durchführbar .
Demgegenüber steht das hohe Sekundärkarzinomrisiko. Die Indikationsstellung sollte daher darauf beschränkt sein, wenn keine alternative Therapie möglich ist.
Wir testen gerne diese Patienten um eine Therapieentscheidung oder eine Therapie möglich zu machen. Mit unserem Test können wir bei der Neurofibromatose allerdings nur das deterministische Risiko prüfen, nicht aber das stochastische Risiko.