Teilbrustbestrahlung mittels Brachytherapie
Bei der „Teilbrustbestrahlung“ mit Multikatheter-Brachytherapie platzieren die Ärzte mehrere miniaturisierte Plastikröhrchen in dem Teil der Brust mit dem höchsten Risiko eines Rückfalls - dem ehemaligen Tumorbett. Für diesen Eingriff ist eine Vollnarkose oder eine örtliche Betäubung (Lokalanästhesie) erforderlich. Über die eingebrachten miniaturisierten Plastikröhrchen erfolgt dann mittels einer winzigen Strahlenquelle (Iridium-192) die Bestrahlung von innen.
Mit dieser Brachytherapietechnik (auch interstitiellen Multikatheter-Brachytherapie genannt) kann die erforderliche Strahlendosis in nur vier - fünf Tagen gegeben werden, im Gegensatz zu einer sonst erforderlichen Behandlungszeit von etwa sechs Wochen bei der Bestrahlung der kompletten Brustdrüse (Ganzbrustbestrahlung) von außen. Neben dieser verkürzten Behandlungszeit werden außerdem Herz, Lunge und die Haut außerordentlich gut geschont. Sollte es dennoch zu einem Rückfall kommen, besteht nach einer Teilbrustbestrahlung dann erneut die Möglichkeit einer brusterhaltenden Behandlung.
Trotz der bekannten Vorteile war bisher die Frage nicht eindeutig geklärt, ob die Therapieergebnisse der Teilbrustbestrahlung mittels Brachytherapie denen der konventionellen Bestrahlung der gesamten Brust gleichwertig sind. Professor Dr. med. Vratislav Strnad, Leiter der Abteilung für interventionelle Strahlentherapie an der Strahlenklinik des Universitätsklinikums Erlangen, hat deshalb zwischen 2004 und 2009 zusammen mit Kollegen aus 16 Kliniken in sieben europäischen Ländern eine große Vergleichsstudie durchgeführt. Die Studie vergleicht die Effektivität und Verträglichkeit von Teilbrust- und Ganzbrust-Bestrahlung miteinander. Es handelt sich um eine ‘randomisierte’ Studie, d.h. die Patientinnen werden von einem Computer per Zufall (engl. random = Zufall) einem der beiden Behandlungsarme der Studie zugeteilt. Die Patientinnen erhalten dann entweder eine Teilbrustbestrahlung mittels Multikatheter - Brachytherapie über die Dauer von vier Tagen (stationärer Aufenthalt erforderlich), oder eine Ganzbrustbestrahlung über eine Behandlungszeit von sechs bis sieben Wochen (kein stationärer Aufenthalt erforderlich).
Ausgewählt wurden insgesamt 1200 Patientinnen mit einer sehr günstigen Tumorsituation (maximaler Tumordurchmesser ≤ 30 mm, kein Nachweis befallener Achsellymphknoten, kein Nachweis eines Befalls der Lymphgefäße, mikroskopisch komplette Entfernung des Tumors, Alter ≥ 40 Jahre, u.a.).
Die erster Fragestellung der Studie war die Häufigkeit eines lokalen Rezidivs. Zweite Fragestellung waren die Häufigkeit und Schwere von akuten und späten Nebenwirkungen, Kosmetik, Häufigkeit von Lymphknotenmetastasen und Fernmetastasen, das Gesamtüberleben (OS), und das krankheitsfreie Überleben (DFS).
Extrem verkürzte Bestrahlungszeit mit gleich guten Langzeitergebnissen wie eine Ganzbrustbestrahlung
Im Oktober 2015 wurden bei dem weltweit größtem radioonkologischen Jahreskongress – „ASTRO 57th Annual Meeting“ die Ergebnisse der bisher größten Studie zur Teilbrustbestrahlung mittels Multikatheter – Brachytherapie vorgestellt und in einer der wichtigsten wissenschaftlichen medizinischen Zeitschrift „THE LANCET“ veröffentlicht.
Die Studie konnte zeigen, dass Patientinnen mit einem kleinem Mammakarzinom nach einer Teilbrustbestrahlung mit multikathether - Brachytherapie über 4-5 Tage das gleiche geringe lokale Rückfallrisiko sowie gleiches Krankheitsfreies Überleben (DFS) und Gesamtüberleben (OS) im Vergleich zur herkömmlichen Ganzbrustbestrahlung über 6 Wochen aufwiesen.
Informationsbroschüren
Patienten-Checkliste - Ihr Aufenthalt in der Brachytherapie
Originalpublikation
Hier finden Sie eine Weiterleitung zur Originalpublikation der Studie zur Teilbrustbestrahlung
Interview mit Prof. Dr. Strnad
Hier finden Sie die Aufzeichnung eines Interviews, Dauer 4:17 min
Studie zur Wirksamkeit der Teilbrustbestrahlung (APBI)
"Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass die Teilbrustbestrahlung (APBI) mit Multikatheter - Brachytherapie eine attraktive und praktikable Behandlungsoption für alle Brustkrebs-Patientinnen mit geringem Risiko nach einer brusterhaltenden Operation ist", sagte Vratislav Strnad, Leiter der Studie und Professor in der Strahlenklinik am Universitätsklinikum Erlangen. "Die Ergebnisse waren nicht völlig überraschend, weil die Langzeitergebnisse aus mehreren kleineren Phase-II-Studien bereits publiziert wurden und über niedrige Rezidivraten nach APBI mit Brachytherapie berichtet haben. Überraschend ist jedoch, wie klar die Ergebnisse unserer Studie sind."
Ausgangsituation:
Für Patientinnen mit Brustkrebs oder einer Brustkrebsvorstufe (duktales in-situ Karzinom: DCIS) besteht die Standardbehandlung heutzutage üblicherweise aus einer brusterhaltenden Operation und nachfolgend einer zwingend erforderlichen Bestrahlung der gesamten betroffenen Brustdrüse inklusive der darunter liegenden Brustwand. Die Bestrahlung erfolgt, um das Rückfallrisiko zu senken und die Gesamtüberlebenswahrscheinlichkeit zu erhöhen.
Bei der bisher üblichen konventionellen Strahlentherapie bestrahlen Strahlentherapeuten die gesamte Brust über sechs bis sieben Wochen. Für viele Frauen stellt gerade diese lange Therapiedauer aus verschiedenen Gründen (z.B. Berufstätigkeit, weite Entfernung zu einer Klinik, eingeschränkte Mobilität, Alter, etc.) eine große Belastung dar. Für eine ausgewählte Gruppe von Patientinnen mit Mammakarzinom ist die Akzelerierte Teilbrustbestrahlung (APBI – Accelerated Partial Breast Irradiation) mittels Multikatheter – Brachytherapie eine attraktive Behandlungsstrategie, welche die Strahlentherapie von 3-7 Wochen auf lediglich 4-5 Tage verkürzt. Hinzu kommt, dass bei der Teilbrustbestrahlung die Strahlenexposition der Restbrust, der nicht erkrankten Brust, der Haut, der Lunge und insbesondere des Herzens sehr effektiv reduziert ist.
Im Laufe der letzten 15 Jahre wurden unterschiedliche Techniken zur Durchführung der Teilbrustbestrahlung in der klinischen Praxis erprobt. Mehrere dieser Studien zur Teilbrustbestrahlung mittels Brachytherapie konnten Ergebnisse über eine viel versprechende langfristige lokale Kontrolle und gute Kosmetik zeigen - vergleichbar mit den bekannten Ergebnissen der konventionellen Bestrahlung. Die Ergebnisse der anderen klinischen Studien mit anderen Techniken zur Teilbrustbestrahlung (Intraoperative Strahlentherapie mit Intrabeam [TARGIT] oder mit Linearbeschleuniger [ELIOT], perkutane Strahlentherapie mit IMRT) waren negativ oder kontrovers und ohne klare Ergebnisse.
Ergebnisse der Studie zur Wirksamkeit der Teilbrustbestrahlung
Die Studie konnte zeigen, dass die Patienten mit kleinem Mammakarzinom nach einer Teilbrustbestrahlung mit Multikathether - Brachytherapie über 4-5 Tage das gleiche geringe lokale Rückfallrisiko sowie gleiches Krankheitsfreies Überleben (DFS) und Gesamtüberleben (OS) im Vergleich zur herkömmlichen Ganzbrustbestrahlung über 6 Wochen aufwiesen.
Im Detail konnte Folgendes gezeigt werden:
In der Gruppe mit Teilbrustbestrahlung (APBI) war die 5-Jahres-Lokalrezidiv-Rate 1,4%, die 5-Jahres krankheitsfreien Überlebens 95%, und die 5-Jahres-Überlebensrate Rate 97,3 Prozent. Im Gegensatz dazu zeigte die Ganzbrust-Gruppe eine 5-Jahres-Lokalrezidivrate von 0,9%, ein 5-Jahres krankheitsfreien Überlebens von 94,5% und eine 5-Jahres-Überlebensrate von 95,6%. Die Gleichwertigkeit der lokalen Rezidiv-Raten war offensichtlich in allen Altersgruppen, unabhängig von der Tumorhistologie und unabhängig von zusätzlicher Arzneimitteltherapie (z.B. Chemotherapie, antihormonelle Therapie).
Diese Studie zeigt auch hervorragende Ergebnisse bei allen teilnehmenden Altersgruppen, einschließlich Patientinnen im Alter von 40 Jahre und älter. Weitere Forschung und Analysen müssen nun durchgeführt werden, um die Ergebnisse in Bezug auf verschiedene Altersgruppen auch über 5-6 Jahre Nachbeobachtung zu überprüfen.
Die Ergebnisse dieser Studie unter dem Titel "Accelerated partial breast irradiation using sole interstitial multicatheter brachytherapy versus whole breast irradiation for early breast cancer: 5-year results of a randomized phase III trial – Part I: Local control and survival results”" wurden bei dem weltweit größtem radioonkologischen Jahreskongress – „ASTRO 57th Annual Meeting“ mit mehr als 11.000 Teilnehmern im Oktober 2015 in der „Plenary Session“ vorgestellt und am gleichen Tag zusätzlich in einer Pressekonferenz den Journalisten vorgestellt (Abb.6) und in der weltweit führenden wissenschaftlichen medizinischen Zeitschrift THE LANCET veröffentlicht.
Die Resonanz war außergewöhnlich und es folgten entsprechende Pressemitteilung der internationalen strahlentherapeutischen Organisationen ASTRO, ESTRO, DEGRO, ASCO-Post und Interviews mit verschiedenen Reportern weltweit.
Denn die Ergebnisse der Studie wurden weltweit als als "tägliche Praxis ändernde Erkenntnisse" eingestuft.